Museum der langsamkeit | 2020

museales Theater oder theatrales museum? eine Ausstellung. 60 meter kunst in 60 minuten

Was sich bewegt, steht still: Die „Naturkatastrophe in Zeitlupe“ (Christian Drosten) hat das gesellschaftliche Leben ebenso beeinflusst, wie unser Zeitempfinden. Das Corona-Virus bewirkte eine Verkehrung der Verhältnisse, ein Aussetzen von Gewohnheiten, es entstanden Zwischenräume, die sich in der Stille öffneten. Diese hat das „Museum der Langsamkeit“ für eine künstlerisch-kritische Auseinandersetzung genutzt. Das Projekt setzte mit der Literatur bei einer Kunstform an, die genuin auf Langsamkeit beruht. Produktion und Rezeption von Texten erfordern Zeit. Eine Zeit, die sich nicht abkürzen lässt. Eingeladen wurden durch das Literaturhaus Freiburg 16 Autor*innen, aus deren Einsendungen Theater TIER GbR das Zeit-Raum- Verhältnis von Texten in eine begehbare Kunstinstallation übertrug, welche die transformative Kraft der Kunst in Hör- und Seherlebnissen bündelte.

Wie in einem Kokon

Bögen von Papier fallen in den Raum und werden durch ihn geleitet. Manche der Texte der insgesamt 16 Autor:innen sind auf das Papier gedruckt, andere werden darauf projiziert. Überhaupt sind sie zu hören. Wie das Lied von Peter Licht, mit dem man der ganzen Situationauch ein bisschen Humor abgewinnen kann. Auch Autorinnen und Autoren haben die letzten Monate vorwiegend zuhause verbracht. Lesungen wurden abgesagt, Neuerscheinungen verschoben. Im Literaturhaus Freiburg sind nun zumindest manche mit ihrer Stimme präsent. Sie haben finanzielle Einbußen erlitten. Viele haben in den Coronawochen einbußen erlitten oder übersetzt, aber selbst das wird holprig, wenn man wie Juri Andruchowytsch auf einen König wartet. Auf „King Lear“ nämlich in der ultimativen kritischen Ausgabe, ohne die der ukrainische Autor sich scheut, überhaupt anzufangen. Auch Judith Schalanskys kluge Reflexion über unser Verhältnis zur Natur angesichts eines Naturalienkabinetts im Schaufenster eines Antiquitätengeschäfts lässt sich nachlesen. Nicht nur konfrontieren die ausgestopften Tiere uns mit dem Paradox, dass wir das, was wir bewahren wollen, töten, sondern dass uns das bedrohlich wird, dessen Lebensraum wir vernichten. Mensch und Tier kommen sich zu nahe. Felicitas Hoppe hat Worte in der Pandemiezeit gesammelt, solche wie Atemmaske, Berufsverbot oder Niesschutz und Spuckwand, die die konkrete Situation beschreiben, aber auch eine Gesellschaft im Zustand des Alarmismus dokumentieren, die ihre Werte zumindest auf Zeit ausgesetzt hat. Es wird klar, ihre Freundin Corona, ist ein eher unerwünschter Gast. Und Hoppe antwortet auch Alexander Kluge, der unsere Welt als großen Automaten sieht und den Virus als etwas, von dem die Gesellschaft auch etwas lernen kann. Nein, entgegnet Hoppe, wir sind osmotische Wesen, ausgestattet mit einer feinen Membran, die uns verletzlich macht, aber auch fähig zur Kooperation. Das „Museum der Langsamkeit“ stiftet für eine Stunde diese Gemeinschaft, man ist in diesem abgedunkelten, mit Teppich ausgelegten Raum wie in einem Kokon, … 

– Annette Hoffmann, Kulturjoker

Künstlerische Beratung und Szenografie: Jens Burde und Vanessa Valk

Kurator:innen: Martin Bruch, Dr. Katharina Knüppel

Geräusche: Konrad Wiemann

Satz: Michael Rudolph, milchhof:atelier

Technik: Frederik Skorzinski

Assistenz: Jana Mathy, Anna Pritzen


Mit Dank an den Förderkreis Literaturhaus Freiburg e.V., das Theater im Marienbad, den

Kunstverein Freiburg, das BIA (Black Forest Institute of Art), das Literaturhaus Stuttgart und das

Fotofachlabor Peter Trenkle

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